Den Alltag wieder besser meistern:
Muskeln, die sonst gar nicht oder kaum noch bewegt werden, zu reaktivieren, sodass der ganze Körper wieder eingesetzt werden kann – das ist das Ziel, das sich die Herzsportgruppe des TV Rheinweiler gesetzt hat. Als ganz besondere Abteilung eines Turnvereins ist sie fast nur Eingeweihten bekannt – das soll sich ändern.
Sportler mit einer Herzerkrankung, nach einem -infarkt oder einer -operation treffen sich jeden Mittwochabend in der neuen Sporthalle an der Sonnenrainschule in Rheinweiler. Trainiert wird in einer Gruppe am Montag. Im Sommer geht es zum Training auch mal in den Wald.
Die Initiative, im Jahr 1986 eine Herzsportgruppe zu gründen, geht auf Bad Bellingens ehemaligen Bürgermeister Eberhard Stotz zurück. „Obwohl wir derzeit gut belegt sind, freuen wir uns über jeden Neuzugang – denn es geht ja nicht nur darum, die eigene Gesundheit zu erhalten oder wieder zu stabilisieren, sondern sich auch unter Betroffenen auszutauschen.
Die jüngsten Teilnehmer sind knapp 50 Jahre, die ältesten um die 80 Jahre alt. Wichtig für alle Teilnehmer ist, als Ziel anzustreben, Alltagsaufgaben weiterhin oder wieder besser bewältigen zu können. „Die Gruppe gibt einem auch Halt, viele private Kontakte entwickeln sich. Deshalb ist die lockere Unterhaltung vor oder nach dem Training auch ein wichtiger Aspekt, hierher zu kommen“, bilanzieren der Arzt Dr. Bruno Bermeitinger und Sportler Dieter Kassa, bekannt als Präsident des Untermarkgräfler Chorverbands.
Ohne Arzt kein Training
Ohne einen Arzt darf eine Herzsportgruppe nicht trainieren. Bermeitinger nimmt seit Jahren freiwillig am Training und als Betreuer teil und sucht seit Monaten einen Kollegen, der ihn gelegentlich ablösen kann. „Es gibt einen kleinen finanziellen Ausgleich aber man muss schon sagen, dass die soziale Verantwortung eines Arzts gefragt ist“, meint er zum Problem, einen weiteren medizinischen Betreuer zu finden.
Bermeitinger hat vor 20 Jahren eine Zusatzausbildung in Sportmedizin gemacht. „Das war natürlich ideal, was die Aufgabe hier betrifft“, sagt er. Auch Viola Wermke hat medizinische Notfallkenntnisse, ohne diese dürfte sie die Gruppe nicht leiten. Vor zehn Jahren hat sie sich als Übungsleiterin für Koronarsportgruppen ausbilden lassen.
Die Betroffenen nehmen mittlerweile weite Wege in Kauf, um an einer solchen Gruppe teilzunehmen, in Rheinweiler treffen sich Sportler aus Istein, Kandern und sogar Schlächtenhaus. In Müllheim gibt es keine Herzsportgruppe mehr, die nächsten sind in Lörrach, Bad Krozingen und Freiburg gemeldet. „Grund ist, dass wir einfach keine Ärzte finden, die sich bereit erklären, vor Ort zu sein“, bedauert Wermke.
Wichtig ist den Teilnehmern, zu erkennen, wie weit sie ihren Körper noch oder wieder belasten können. „Bei uns lernt man, sich nicht zu überschätzen“, erklärt Kassa. Gut ist der Vergleich – eine Übung dreht sich immer auch darum, die anderen einzuschätzen – „dadurch wird das eigene Urteilsvermögen geschärft“, so Bermeitinger .
Medikamente weglassen
Mundpropaganda ist wichtig für die von einer Herzkrankheit Betroffenen. Die Gruppenteilnehmer bekommen im Bekanntenkreis mit, wer herzkrank ist und können eine Teilnahme an den Übungsstunden ansprechen. „Viele Betroffene sehen den Punkt nicht, nach einer Reha weiter an sich zu arbeiten“, weiß Kassa. Bewegt man sich aber und achtet darauf, was man isst, „kann man fast immer die Hälfte der Medikamente irgendwann weglassen“, macht Bermeitinger Lust darauf, mitzumachen.
Unter Anleitungen macht man Übungen, die man aus Büchern oder dem Internet herausgesucht hat, anders – „man kann dem Patienten vor Ort viel besser nahebringen, worauf man achten soll“, stellt der Arzt fest. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Teilnahme über die Krankenkassen abzurechnen: „Wir sind eine zertifizierte Gruppe.